elegie I

elegie I

Freilich ist es seltsam, die Erde nicht mehr zu bewohnen,
kaum erlernte Gebräuche nicht mehr zu üben, Rosen,
und andern eigens versprechenden Dingen
nicht die Bedeutung menschlicher Zukunft zu geben;
das, was man war in unendlich ängstlichen Händen, nicht mehr zu sein,
und selbst den eigenen Namen wegzulassen wie ein zerbrochenes Spielzeug.
Seltsam, die Wünsche nicht weiter zu wünschen. Seltsam, alles,
was sich bezog, so lose im Raume flattern zu sehen.
Und das Totsein ist mühsam und voller Nachholn,
daß man allmählich ein wenig Ewigkeit spürt.
– Aber Lebendige machen alle den Fehler, daß sie zu stark unterscheiden.
Engel (sagt man) wüßten oft nicht, ob sie unter Lebenden gehn oder Toten.
Die ewige Strömung reißt durch beide Bereiche alle Alter
immer mit sich und übertönt sie in beiden.

Rainer Maria Rilke / aus I.Duineser Elegie

Model: Anna Maria Hefele

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